Am Sonntag bist du tot

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Was tut man, wenn einem der Blödsinn, der im Fernsehen läuft, so richtig auf den Senkel geht, keine Alternativ-Unterhaltung in Sicht ist und man am nächsten Tag ohnehin erst mittags bei der Arbeit zu erscheinen hat? Man geht ins Kino. Bei mir wurde es am gestrigen Abend der als Tragikkomödie ausgewiesene Film Am Sonntag bist du tot. Es war eine spontane Entscheidung und sie war richtig.

Was habe ich erwartet?

Zuerst einmal muss ich sagen: Asche auf mein Haupt. Ich las den Namen des Regiesseurs John Michael McDonagh und dachte, er sei derjenige, dem wir Brügge sehen… und sterben? sowie 7 Psychos zu verdanken haben. Ist er aber nicht, das ist sein Bruder Martin McDonagh. John Michael bescherte uns 2011 allerdings The Guard, was genauso für ihn spricht, wie die beiden anderen Filme. Daher hielt mich diese Erkenntnis nicht davon ab, das Kino aufzusuchen und eine fiese, schwarzhumorige Komödie zu erwarten.

Worum geht’s?

Der katholische Priester James Lavelle (Brendan Gleeson – Harry Potter, Gangs of New York) sitzt im Beichtstuhl, den ein Mann betritt. Dieser schildert den an ihm verübten Missbrauch durch einen anderen Priester und eröffnet Lavelle dann, dass er ihn, stellvertretend für den Täter, töten wolle. Er gibt dem Pater allerdings noch eine Woche Zeit – am kommenden Sonntag werde ihn am Strand erschießen. Lavelle hält sich, obwohl er weiß, wer sein Mörder sein wird, an das Beichtgeheimnis und geht nicht zur Polizei. In den sieben verbleibenden Tagen kümmert er sich weiterhin aufopferungsvoll um die Bewohner der irischen Kleinstadt, die sich jedoch alle in den Augen der Kirche versündigt haben, denen es an Moral mangelt und die dem Priester Verachtung entgegen bringen…

Bewertung

10/10

Großartig und der bisher beste Film des Jahres. Am Sonntag bist du tot ist keine schnodderige, politisch inkorrekte, laute Komödie wie The Guard. Der Humor ist sehr subtil, leise und bisweilen so zynisch, dass sogar mir das Lachen im Hals stecken blieb. Ich glaube nicht, dass irgendwer an irgendeiner Stelle laut aufgelacht hat, dennoch gibt es trockene, lustige oder vollkommen absurde Dialoge und Szenen.

Die Missbrauchsfälle der Kirche, die in Irland noch massiver waren, als hierzulande, werden nicht explizit beschrieben. Die Folgen aber sind allgegenwärtig, deutlich spürbar. Die gesamten 105 Minuten sind durchzogen von einer Düsterheit und Schwere, die man selten im Kino findet. Nicht zuletzt kritisiert der Film die Kirche, den Umgang mit den Skandalen und ihre generelle Einstellung.

Brendan Gleeson findet man leider meistens nur in Nebenrollen, hier beweist er mal wieder, dass er ein wunderbarer Schauspieler ist. Abgerundet wird seine Arbeit durch lange Einstellungen und unglaublich schöne Landschaftsaufnahmen der irischen Küste sowie einem mehr als passenden Soundtrack.

Ob Am Sonntag bist du tot die Bezeichnung „Tragikkomödie“ verdient, muss jeder selbst entscheiden. Ich halte ihn eher für ein bitter-böses Drama, das einen packt und so schnell nicht mehr loslässt; abgründiger und dunkler als die meisten Horrorfilme, die sich damit bewerben, in menschliches Grauen hineinblicken zu lassen. Genau deshalb gefällt er mir so gut und genau deshalb empfehle ich ihn weiter. Allerdings solltet ihr euch beeilen – der Kinostart war zwar erst am 23.10., also letzte Woche, jedoch sind zumindest in „meinem“ Kino dem Film nicht mehr Tage vergönnt, als seinem Protagonisten – morgen, am 30.10., läuft er bereits nicht mehr.

2 Kommentare

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  • Dia dhuit, Mara.
    Ich denke, die Verkommenheit von Dogmen, speziell relogiösen, läßt sich anhand eines solchen Films punktgenau auf- und angreifen. Denn würde die altehrwürdige Kirche ihrem Bodenpersonal zugestehen Menschen sein zu dürfen – ihren Eros also nicht verteufeln – würde es zu weit weniger Fällen von Mißbrauch Schutzbefohlener kommen.
    Exakt ähnliches gilt für die Beichte per se, die im Grunde nie etwas anderes war, als ein funktionierender Überwachungsapparat.
    Nicht das sog. heilige Beichtgeheimnis zu übersehen.
    Für sich mag die Hauptfigur ja entscheiden können – aber im Fall eines Dritten?!!

    Sollten sich die alten Knochen einmal darüber gedanken machen. Aber dafür braucht es ja einen freien Geist!

    Non habemus…

    Freu mich für Dein cineastisches Erlebnis.

    Slán agat!

    bonté

    • Hey,

      ich glaube, in vielen Fällen sieht die Kirche Missbrauchte und Tote als Kollateralschaden an, der für ein höheres Ziel in Kauf genommen wird. Es geht ja nicht nur um den sexuellen Missbrauch der an Kindern, die in der Kirche Beschäftigung, Zusammenhalt und soziale Kontakte suchen; sondern auch darum, dass sich diese Institution immer noch gegen die Verwendung von Kondomen ausspricht, selbst in Regionen, in denen die Menschen an HIV/Aids sterben, wie die Fliegen. Diesen Verein kann man nur kritisieren und bitterer Zynismus ist m. E. die natürliche Reaktion darauf.

      Unchristliche Grüße!

Was bisher geschah…