Stereo

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Mein Vater hat sich irgendwo im Internet angemeldet und als Dank gab’s zwei Kinogutscheine. Diese wollten natürlich eingelöst werden, die letzten Monate gaben allerdings nicht viel her, was für ihn und mich interessant gewesen wäre. Bis ich den Trailer zu Stereo erblickte und ihm vorführte. Dass ich mit meinen Eltern isn Kino gehe, kommt nur sehr selten vor und ist immer irgendwie seltsam. Was für Freunde so selbstverständlich ist, ist für Eltern irgendwie befremdlich: Eine Kinokarte kostet 15,- €? Als ich in deinem Alter war, gab’s das schon für ne Mark. Warum ist die Werbung so lang? Warum kann man sich nicht mehr hinsetzen, wo man will? Wie, du hast die Karten im Internet bestellt? Hast du keine Angst, dass die dein Konto leerräumen? usw. usf. – hinzu kommt dann noch eine gewisse Befangenheit wenn man neben Mama oder Papa sitzt und auf der Leinwand ein Pärchen Analsex hat… insgesamt finde ich Kino mit meinen Eltern erheblich anstrengender mit meinen Freunden.

Nun aber zum Film.

Was habe ich erwartet?

Der Trailer verspricht viel. Er verrät, dass der von Jürgen Vogel dargestellte Charakter von einer Halluzination verfolgt wird: er sieht einen Typen im Kapuzenpulli, der auf einem Wohnmobil sitzt oder durch ein Feld gejagt wird. Jemand wirft einen Brandsatz auf ein Haus. Eine Schlägerei. Ein Stück abgebrochener Zahn fällt ins Waschbecken. Kommt einem bekannt vor. Sieht aus wie Fight Club. Sowas in der Art habe ich auch erwartet, wobei es nicht unbedingt fair ist, einen Film an Fight Club zu messen. Aber da muss man durch, wenn man sich dieses Thema aussucht.

Regiesseur und Drehbuchautor Maximilian Erlenwein hat 2009 „Schwerkraft“, ebenfalls mit Jürgen Vogel, ins Kino gebracht. Der war ganz ok, aber nichts besonderes.

Worum geht’s?

Erik (Jürgen Vogel – kennt man aus „der freie Wille“, „ein Freund von mir“ u.v.a.) hat eine Motorrad-Werkstatt und ist mit Julia (Petra Schmidt-Schaller, hat in diversen Krimis mitgewirkt), einer jungen Mutter, zusammen. Immer wieder sieht er einen Mann in Kapuzenjacke, der plötzlich auftaucht und dann wieder verschwindet. Erik ist klar, dass es sich bei dem Fremden nicht um einen realen Menschen handeln kann, da nur er ihn sieht. Als er Besuch in seiner Werkstatt von einem Mann bekommt, der ihn aus seiner Vergangenheit zu kennen scheint, steht die Halluzination plötzlich im Raum. Kurz darauf stellt diese sich als Henry (Moritz Bleibtreu: „Der Baader-Meinhoff-Komplex“, „Lammbock“, „World War Z“) vor – ein sarkastischer, fieser Typ, der Erik überall hin folgt. Wäre die Situation nicht schon verwirrend genug, tauchen nun auch noch Mafiosis auf, die Erik von früher zu kennen scheinen – dieser erinnert sich jedoch an nichts aus seiner Vergangenheit. Erst als Julia und deren Tochter entführt werden, muss er sich seiner dunklen Seite stellen.

Bewertung

6/10

„Stereo“ fängt hervorragend an, kann das Niveau jedoch nicht halten und ist streckenweise sogar geradezu lächerlich. Insbesondere der Mafia-Boss wirkt letztendlich wie aus einer Persiflage: mit bayrischem Dialekt lässt er sich von nackten Nutten umgeben im Pool einen blasen um direkt danach eine Frau und ihr Kind zu bedrohen. Die Auflösung der Situation ist flach und m. E. unnötig, die Gewalt unrealistisch und die Motive der Handelnden bleiben im Dunkeln. Schade, da der Film wirklich gut beginnt, sogar mit einer gehörigen Portion schwarzem Humor und Sarkasmus.

Den Stil, den Erlenwein nutzt, muss man mögen. Einige der die Halluzinationen darstellenden Szenen erinnern ein wenig an David Lynch, mit dem ich nicht wirklich viel anfangen kann.

Eindeutig zu loben ist Jürgen Vogels großartiges Schauspiel. Moritz Bleibtreu hingegen spielt, wie er immer spielt.  Nichts besonderes eben.

Insgesamt bekommt „Stereo“ von mir 6 Punkte. Im Fernsehen durchaus schaubar, das Geld für die Kinokarte kann man sich aber sparen.

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